DIENSTLEISTUNGEN_DEUTSCH

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Qualitätskriterien zur Auswahl, Ausbildung und Kostenüber-
nahme für Blindenführhunde


Blindenführhunde sind ein Hilfsmittel im Sinne des § 33
SGB V. Sie sollen einem blinden oder hochgradig sehbehinder-
ten Versicherten eine gefahrlose Orientierung sowohl in ver-
trauter als auch in fremder Umgebung gewährleisten. Da der
Blindenführhund im Gegensatz zu den sonst üblichen Hilfsmit-
teln ein lebendes Wesen ist, erfordert die Auswahl von Hun-
den und deren Ausbildung zum ständigen Begleiter des Versi-
cherten einschließlich dessen "Einschulung" mit dem Blinden-
führhund ein besonderes Maß an individuellem Einfühlungsver-
mögen und Sachkenntnis in bezug auf die Kynologie und das
Orientierungs- und Mobilitätstraining für Blinde.

Vertragspartner der Krankenkassen zur sachgerechten Blinden-
führhundversorgung der Versicherten können nur Personen oder
Blindenführhundschulen werden, die eine den nachfolgenden
Kriterien entsprechende Qualifizierung nachweisen oder durch
die in der Vergangenheit erbrachte Leistung eine diesen Kri-
terien entsprechende ausreichende und zweckmäßige Leistungs-
erbringung gewährleisten.

1. Auswahl von Hunden für die Ausbildung zum Blindenführhund

Für die Aufnahme in die eigentliche Blindenführhundausbil-
dung sind grundsätzlich nur Hunde vorzusehen, die mindestens
ein Jahr, höchstens zwei Jahre alt sind; die Schulterhöhe
soll mindestens 50, maximal 65 cm betragen. Geringfügige Un-
ter- oder Überschreitungen des Höchstalters und der Schul-
terhöhe sind bei ansonsten geeigneten Hunden zu tolerieren.

Es muß sich um friedfertige, intelligente, wesensfeste, ner-
venstarke, arbeitsbelastbare und gesunde Junghunde handeln,
die nicht aus der Massenzucht stammen oder vom gewerblichen
Tierhandel oder von Tierheimen erworben wurden. Sie sollen
im engen Verbund mit Menschen aufwachsen und entsprechend
sozialisiert sein. Der vom Ausbilder zu liefernde Herkunfts-
nachweis des Junghundes muß auch eine vor Aufnahme in die
Blindenführhundausbildung begonnene Schutzhundausbildung
oder -abrichtung zweifelsfrei ausschließen.

Für die Ausbildung zum Blindenführhund kommen sowohl Rasse-
hunde als auch Mischlingshunde männlichen und weiblichen
Geschlechts in Betracht. Rassetypisch zur Aggressivität
neigende Tiere (z.B. Mastino, Dobermann, Rottweiler) sowie
aggressive Junghunde anderer Rassen dürfen nicht als Blin-
denführhunde ausgebildet werden.

Bei Aufnahme in die Blindenführhundausbildung muß durch ein
tierärztliches Attest, das nicht älter als drei Monate sein
darf, die Gesundheit des Hundes nachgewiesen sein; er muß
insbesondere über eine intakte Wirbelsäule und intakte Ge-
lenke verfügen sowie frei von Hüftgelenksdysplasie (HD) und
schwerwiegenden Augenkrankheiten (z.B. progressive Retina-
Atrophie) sein. Schäferhunde mit dem Befund "HD fast normal"
und Retriever mit dem Befund "HD Verdacht" können zugelassen
werden, wenn sie unmittelbar vor der Ausbildung von einem
Tierarzt im Hinblick auf Gebäude, Bemuskelung und einwand-
freien Lauf - erforderlichenfalls auch röntgenologisch - un-
tersucht und für unbedenklich erklärt worden sind.

2. Ausbildung zum Blindenführhund

Für die Ausbildung zum Blindenführhund werden verschiedene
Methoden des Verhaltenstrainings und der tiergerechten Lern-
prozesse angewendet (z.B. klassische Konditionierung nach
Pawlow, hundgerechte Ausbildungsmethode nach Hantke), die
jedoch alle sicherstellen müssen, daß durch sie die natür-
liche Willensstärke des Hundes nicht gemindert bzw. gebro-
chen wird oder die Bestimmungen des Tierschutzgesetzes ver-
letzt werden.

Ziel der Blindenführhundausbildung ist es, dem Blindenführ-
hund in die Lage zu versetzen, dem blinden oder hochgradig
sehbehinderten Versicherten seine durch die Behinderung ein-
geschränkte Mobilität und Orientierungsmöglichkeit weitest-
gehend zurückzugeben. Dies setzt voraus, daß der Führhund
nach abgeschlossener Ausbildung - auch selbständig - in der
Lage ist, das "Gespann" Führhundhalter und Hund ohne Gefähr-
dung für das Gespann oder Dritte sicher durch den allge-
meinen Verkehr auch außerhalb des häuslichen Bereichs zu
führen. Der Blindenführhund muß auf entsprechende Hörzei-
chen (verbale Anweisung) des Führhundhalter selbständig
in einer für diesen und Dritte ungefährliche Weise Verkehrs-
wege benutzen, Objekte (z.B. Verkehrsmittel, Treppen, Türen,
Sitzgelegenheiten) aufsuchen und ihn vor eventuell auftre-
tenden Gefahren warnen (z.B. durch Stehenbleiben) und schüt-
zen. Dies kann bedeuten, daß sich der Blindenführhund im
Einzelfall den Hörzeichen des Führhundhalters aktiv wider-
setzen muß.

Die Art und Weise der Blindenführhundausbildung muß den we-
sentlichen Grundsätzen der "Richtlinien für die Auswahl und
Ausbildung von Führhunden, Auswahl, Einarbeitung und Nach-
betreuung der Führhundhalter" (insbesondere Abschnitt A II)
des Deutschen Blindenverbandes e.V. (DBV-Richtlinien) vom
Dezember 1989 entsprechen.

3. Qualitätssicherung

Die Zulassung als Leistungserbringer nach § 126 Abs. 1 SGB V
setzt voraus, daß der Ausbilder/die Blindenführhundschule ge
genüber den Spitzenverbänden der Krankenkassen, Geschäfts-
stelle Hilfsmittel beim IKK-Bundesverband, verbindlich er-
klären, daß die Ausbildung zum Blindenführhund einschließ-
lich der "Einschulung" und der Nachbetreuung des künftigen
Führhundhalters nach diesen Kriterien durchgeführt wird. Die
Erklärung des Leistungserbringers hat seine vertraglich ab-
zusichernde Bereitschaft zur kostenlosen Nachbetreuung/
-schulung für den Fall mangelhafter oder nachlassender Führ-
hundleistungen, deren Ursache in der Auswahl des Hundes und/
oder der Führhundausbildung liegt (Gewährleistung) sowie
sein Einverständnis für die Dauer der Zulassung zu beinhal-
ten, daß die Spitzenverbände der Krankenkassen oder von
ihnen Beauftragte - ggf. im Zusammenwirken mit dem Deutschen
Blindenverband e.V. - ohne vorherige Ankündigung die Ausbil-
dung und Haltung von Blindenführhunden überprüfen können.
Die Dauer der Gewährleistung ist vertraglich zu vereinbaren.

Meinungsverschiedenheiten über die Ursache mangelhafter oder
nachlassender Führhundleistungen sind gütlich unter den Be-
teiligten (Versicherte, Leistungserbringer, Krankenkasse) -
ggf. unter Einschaltung eines Sachverständigen - beizulegen.

4. Eignung und Einarbeitungslehrgang des künftigen Führhund-
halters, Gespannprüfung

Eine sachgerechte Verwendung des Hilfsmittels Blindenführ-
hund setzt voraus, daß der ausgebildete Blindenführhund zum
künftigen halter paßt und daß der Halter bereit und in der
Lage ist, den Blindenführhund als zuverlässigen Partner und
- im übertragenen Sinne - als Ersatz für das nicht mehr vor-
handene Augenlicht zu akzeptieren. Darüber hinaus muß der
künftige Führhundhalter die Eignung zum Umgang mit Hunden
besitzen und die ihm mit der Übereignung eines Blindenführ-
hundes übertragene Verantwortung anzunehmen bereit und in
der Lage sein.

Für eine Hundehaltung nicht geeignete Menschen und Versi-
cherte, die nicht in der Lage sind, dem Blindenführhund
außerhalb seiner Führdiensttätigkeit den zur artgerechten
Lebensführung erforderlichen Freiraum (z.B. Auslauf ohne
Führgeschirr und Leine) zu ermöglichen, können nicht mit
dem Hilfsmittel Blindenführhund zu Lasten der Krankenkassen
versorgt werden.

Im Anschluß an die erfolgreiche Ausbildung des Hundes zum
Blindenführhund müssen von der Blindenführhundschule im
Rahmen eines Einarbeitungslehrgangs Hund und künftiger
Halter aufeinander eingestimmt werden. Der Versicherte muß
im Rahmen eines solchen Lehrgangs ein "blindes", jedoch
kritisch verantwortliches Vertrauen zu dem Blindenführhund
entwickeln; der Blindenführhund muß den künftigen Halter als
Bezugsperson und "Rudelführer" innerhalb kurzer Zeit akzep-
tieren. Darüber hinaus muß der künftige Halter die Hörzei-
chen für den Hund und den Umgang mit ihm nicht nur im allge-
meinen Verkehr, sondern auch in seiner Wohnung und in ande-
ren Gebäuden (z.B. Kaufhäuser, öffentliche Institutionen)
erlernen.

Die notwendige Dauer des Einarbeitungslehrgangs hängt nicht
zuletzt von der Phase der Eingewöhnung zwischen Hund und
Halter und der Auffassungsgabe des künftigen Halters ab; er
dauert im Regelfall nicht unter 14 Tage und nicht über 28
Tage. Bestandteil des Einarbeitungslehrgangs müssen auch In-
formationen über die artgerechte Tierhaltung und Ernährung
des Blindenführhundes sowie ggf. eine Einweisung am Wohnort
des Versicherten sein.

Den Abschluß des Einarbeitungslehrgangs bildet eine Prüfung,
die am Sitz des Leistungserbringers, in begründeten Fällen
auch ganz oder teilweise am Wohnort des Versicherten statt-
findet. Während der Prüfung müssen folgende Nachweise vom
Hund und Halter gemeinsam erbracht werden:

- sichere Führung im Straßenverkehr,

- Beobachtung der Verkehrssituation durch Hund und Halter
sowie adäquate Gebung von Warnhinweisen durch den Hund,

- Warnung vor der Umgehung von Hindernissen, die zwar für
den Hund ungefährlich, für den Halter aber verletzungs-
gefährdend sind,

- adäquate Reaktion des Halters auf Warnhinweise des Führ-
hundes.

Die erfolgreiche Ablegung der Prüfung ist von einer sachver-
ständigen, unabhängigen Prüfkommission zu bescheinigen, die
aus folgenden Personen bestehen sollte:

1. Erfahrener Hundetrainer/-ausbilder und/oder Orientie-
rungs- und Mobilitätstrainer,

2. Vertreter der Blindenselbsthilfeorganisationen auf Bun-
des- oder Landesebene,

3. Vertreter der Krankenkassen.

Die Mitglieder der Prüfkommission werden von den Landesver-
bänden der Krankenkassen einvernehmlich bestimmt. Kommt eine
Einigung bei der Besetzung der Mitglieder der Prüfkommission
nicht zustande, berufen die Spitzenverbände der Krankenkas-
sen die entsprechenden Mitglieder nach Abstimmung mit dem
Deutschen Blindenverband e.V.

Auf Wunsch des Versicherten ist einer von ihm benannten Ver-
trauensperson ebenso wie dem Ausbilder des Blindenführhundes
Gelegenheit zu geben, die Prüfung zu beobachten.

Bei der Besetzung der Prüfkommission und der Durchführung
der einzelnen Prüfungen ist sicherzustellen, daß weder die
beteiligte Ausbildungsstätte noch mit dieser konkurrierende
andere Leistungserbringer auf das Prüfergebnis Einfluß neh-
men können. Entsprechendes gilt für Blindenselbsthilfever-
bände, die gleichzeitig - ganz oder teilweise - Träger einer
Blindenführhundschule sind.

5. Voraussetzungen der Kostenübernahme durch die Krankenkas-
se und Übereignung des Blindenführhundes

Erst nach Vorlage einer Bescheinigung über die erfolgreich
abgelegte Gespannprüfung übernimmt die Krankenkasse die vom
Blindenführhundausbilder bzw. der Blindenführhundschule in
Rechnung gestellten Kosten nach Maßgabe der vertraglichen
Regelungen (§ 127 SGB V). Der Blindenführhund ist dem Ver-
sicherten von der Ausbildungsstätte in "führbereitem" Zu-
stand zu übergeben (incl. Führgeschirr, Halsband und Leine).

Der Blindenführhund wird dem Versicherten von der Kranken-
kasse mit der Maßgabe übereignet, ihn artgerecht zu behan-
deln und zu pflegen. Damit ist gleichzeitig eine Übernahme
der sich aus der Haltung des Blindenführhundes ergebende
Rechte und Pflichten des Versicherten verbunden (z.B. Tier-
halterhaftung).

Eine zweckentfremdende Verwendung oder nicht artgerechte
Haltung des Blindenführhundes durch den Versicherten oder
mit seinem Einverständnis schließt für die Zukunft einen
Anspruch auf Eratzbeschaffung zu Lasten der Krankenkassen
aus.

6. Nebenkosten der Blindenführhundversorgung

Die Krankenkasse übernimmt im Rahmen des § 33 SGB V die dem
Versicherten durch die Haltung des Blindenführhundes entste-
henden Kosten. Regelmäßig entstehende Kosten (u.a. Futterko-
sten, Impfkosten) werden von der Krankenkasse durch Zahlung
eines monatlichen Pauschbetrages in Höhe des nach § 14 BVG
jeweils gültigen Betrages abgegolten. In unregelmäßigen Ab-
ständen entstehende Kosten (u.a. der tierärztlichen ambulan-
ten oder stationären Behandlung) und die ggf. notwendige Er-
neuerung von Führgeschirr, Halsband und Leine übernimmt die
Krankenkasse im notwendigen Umfang.
Code: 99.99.01.0000
Codesystem: http://metadata.gerontonet.org/namingsystem/hilfsmittelnummer
Online Status
Keine Angabe
Indikation
nicht besetzt